Bedeutung der Vorstellungen der Heiligen Elisabeth für die Pflege heute

Bedeutung der Vorstellungen

der Heiligen Elisabeth

für die Pflege heute


von

Detlef Wolfgang Scholz,

gehalten in Velbert-Neviges, November 2007


Sind die Vorstellungen der Heiligen Elisabeth für die Pflege heute noch relevant, oder haben sie gerade in der jetzigen Zeit noch an Bedeutung gewonnen?


Wir sind weitab von diesen Vorstellungen, trotz des Fortschritts in der Medizin und in der Pflege. Deshalb ist es wichtig, dass wir wieder eine theologisch-sozialethische Grundlage für den Handlungsbereich der Pflege schaffen.


Die Pflege ist in der Krise, deshalb müssen wir mit aller Kraft deutlich machen, dass der pflegebedürftige wie auch der pflegende Mensch wieder im Mittelpunkt stehen,wenn ein Gesundheitssystem aufrechterhalten werden soll, das der Würde des Menschen und den Vorstellungen der Heiligen Elisabeth gerecht wird.


Die Würde aller Menschen ist, theologisch gesprochen, eine gottgegebene Größe, als Gabe und Aufgabe zugleich.Durch die zunehmend alternde Gesellschaft sind besonders die Kirchen dazu

aufgefordert, neue Prioritäten für ihre sozialen und pflegerischen Dienste zu entwickeln.


Alte und kranke Menschen dürfen nicht als Kostenfaktoren verrechnet werden, sondern sind entsprechend ihrer von Gott verliehenen Würde wahrzunehmen und zu behandeln.

Wenn wir den Vorstellungen der Heiligen Elisabeth Rechnung tragen wollen, heißt das, Alte und Kranke brauchen jetzt und in der Zukunft eine würdige Pflege.


Das karitative Wirken der Heiligen Elisabeth besitzt bis heute Vorbildcharakter und muss für die Pflege zum Standard werden.

Das christliche Menschenbild, welches uns durch ihr Leben und Dienen überliefert worden ist, muss wieder Grundlage für unseren Umgang mit allen Menschen sein.


Das sind für uns Patienten im Krankenhaus, Betreute in der ambulanten und stationären Pflege, mit ihren Angehörigen, Mitarbeitern sowie Kooperationspartnern. Wir müssen uns an den Grundwerten Menschenwürde, Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Toleranz, Vertrauen und Vergebung orientieren.


Wir sollten bei all unserem Tun berücksichtigen, dass jeder Mensch von Gott gewollt und geliebt, einmalig und unverwechselbar ist.

Besonders im medizinisch, pflegerischen Bereich müssen wir wieder begreifen lernen, dass der Mensch nicht nur aus seinem Körper, sondern auch aus seiner Seele besteht. Diese Einheit, welche in unserer so modernen und schnelllebigen Zeit immer mehr vergessen wird, treibt das Zusammenleben in eine menschliche Eiszeit.


Immer mehr Menschen landen in der Psychiatrie, weil die seelischen Gebrechen, wie z.B. Depressionen, in den letzten Jahren drastisch zugenommen haben. In der Öffentlichkeit, in der Politik, aber auch im ärztlichen und pflegerischen Bereich wird diese Tatsache nicht oder nur unzureichend erkannt.


Gehen Sie doch einmal mit offenen Augen durch die Krankenzimmer eines Krankenhauses, die Räume eines Alten- und Pflegeheimes oder in die Wohnungen der Pflegebedürftigen, die vielleicht nur zweimal täglich vom ambulanten Pflegedienst versorgt werden. Sehen Sie in die Gesichter der dort lebenden Menschen, dann wird Ihnen in vielen Fällen die sterile und kalte Atmosphäre auffallen, die einem an solchen Orten entgegenschlägt.


Die gesetzlich vorgegebenen, menschenunwürdigen Zeitvorgaben in der Grundpflege, degradieren die Kranken zu einem finanziell abzurechnenden Zeitfaktor, bei dem das seelische Empfinden auf der Strecke bleibt.

Die personelle Ausstattung, der unendliche Zeitdruck und die unsäglich übertriebene Bürokratie, lassen keinen Spielraum mehr für eine persönliche und würdige Zuwendung.


Worte, die von der Heiligen Elisabeth überliefert sind, lauten:


"Ich habe euch immer gesagt,

dass wir die Menschen

fröhlich machen müssen."


Angesichts dieses Ausspruchs frage ich mich, können die Schwestern und Pfleger heute die Kranken und Alten noch fröhlich machen, wenn ihnen durch die Arbeitsbedingungen selber jede Fröhlichkeit abhanden gekommen ist?

Die Pflegeberufe müssen wieder mehr öffentliche Anerkennung und Unterstützung, besonders durch die Politik erfahren.


„Wir müssen füreinander da sein,

weil Gott uns gezeigt hat,

dass ER für uns da ist.“


Auch diese Worte der Heiligen Elisabeth sollten zum Leitfaden in der Pflege werden.


Aufgrund einer gesetzlichen Forderung müssen alle Einrichtungen, die mit der Kranken- oder Altenpflege betraut sind, sogenannte Pflegeleitsätze vorhalten, nach denen die praktische Arbeit auszurichten ist.


Papier ist geduldig, die Realität weicht in vielen Fällen leider von den dort aufgestellten Thesen ab. Verstehen Sie mich nicht falsch, es gibt bestimmt Einrichtungen und Organisationen, die sich an diese Leitsätze halten, aber genau so viele, die das Papier nicht wert sind auf dem sie geschrieben wurden.


Wenn die Heilige Elisabeth noch lebte und solche Pflegeleitsätze aufstellen müsste,könnte ich mir denken, dass folgende Vorstellungen und Ansprüche darin enthalten wären:

  • Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von Gesundheit, Alter, Hautfarbe, Konfession, sozialem Status sowie geistigen, körperlichen oder seelischen Einschränkungen.

  • Mit den Schwächen solidarisch sein.

  • Perspektiven entwickeln, um die Lebensqualität zu verbessern und zu erhalten.
  • Mut und Zutrauen bewahren, trotz Rückschlägen oder negativen Erfahrungen.

  • Konflikte als Chance verstehen und versuchen, sie zu lösen.

  • Berücksichtigen, dass jeder Mensch von Gott gewollt, geliebt, einmalig und unverwechselbar ist.

  • Beachten, dass jeder Mensch eine Einheit aus Körper, Geist und Seele ist.

  • Sich auf die jeweils unterschiedlichen Lebenssituationen einlassen.

  • Mit den Schwachen solidarisch sein, berücksichtigen, dass jeder Mensch angewiesen ist auf die Annahme seiner Stärken und Schwächen durch seine Mitmenschen.


Die eben genannten Leitlinien stellen einen hohen Anspruch an die Pflegenden dar, einen Anspruch, der aber den Vorstellungen der Heiligen Elisabeth entsprechen würde.


Wir müssen uns fragen lassen, handelt es sich hier nur um Wunschdenken oder sind wir bereit, trotz aller Widrigkeiten unserer Zeit, diese Leitlinien zu unserer beruflichen Verpflichtung zu machen?


Gehören wir zu denen, die an so einem Tag wie heute, zum Gedenken an die Heilige Elisabeth von Thüringen, die Bedeutung ihrer Vorstellungen bejahen und ab Morgen im Pflegealltag alles wieder vergessen und den alten Trott weitermachen? Oder sind wir bereit, das Gehörte in die Praxis umzusetzen?


Die Voraussetzung dafür ist, dass alle Beteiligten, Krankenhaus- und Altenheimträger, Krankenpflegepersonal und letztlich besonders die Politiker endlich umdenken und die kranken, alten und schwachen Menschen nicht noch weiter im Abgrund der Bürokratie versinken lassen.


Besonders die Träger kirchlicher Einrichtungen in Kirche und Diakonie müssen einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag zur Verwirklichung des theologisch und sozial begründeten Menschenrechts auf angemessene Versorgung Hilfebedürftiger leisten, trotz des hohen Kostendrucks und müssen somit eine Vorbildfunktion übernehmen.


Sie müssen Mitverantwortung übernehmen für die Schaffung und Erhaltung von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, in denen Menschen sich wohlfühlen können. Insgesamt muss mit ihrem Einsatz dem anwaltschaftlichen Prinzip entsprochen und damit dem kirchlichen Auftrag Rechnung getragen werden, Schwache zu vertreten und das Gemeinwesen zu stärken.


Die Verantwortlichen in der Politik müssen sich endlich darüber im Klaren werden, dass eine menschenwürdige Pflege und Betreuung genauso wichtig ist, wie die Einnahme von Steuern und der Abbau von Staatsschulden.

Gesetzliche Bestimmungen für den Pflegebereich dürfen nicht in einem Wust von Bürokratie enden, bei dem der kranke und pflegebedürftige Mensch auf der Strecke bleibt.


In den Vorstellungen der Heiligen Elisabeth, haben diese, von unserer heutigen Gesellschaft geschaffenen Bedingungen für die Pflege, keinen Platz.

Deshalb sollten bei allen politischen und juristischen Entscheidungen ihre Vorstellungen als Grundlage dienen.


Alter, Leiden und Sterben dürfen nicht als Störung wahrgenommen werden, sie müssen in das Alltagshandeln integriert und die Teilnahme der Menschen am sozialen Leben wieder aktiv unterstützt werden.


Der Artikel 1 unseres Grundgesetzes lautet:


„Die Würde des Menschen

ist unantastbar.

Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“,


dieser muss wieder Grundsatz des Handelns werden.


Für uns Christen bedeutet eines der wichtigsten Sätze Christi:


„Was du getan hast,

einem unter meinen Geringsten, das hast du mir getan.“


Danach hat die Heilige Elisabeth gelebt und gehandelt und somit sind ihre Vorstellungen von Pflege auch heute noch von ausschlaggebender Bedeutung.


Dieser Umgang mit den Schwachen und Kranken, nach den Vorstellungen der Heiligen Elisabeth, kostet kein Geld und macht die Institutionen nicht ärmer.

Der würdige, menschliche Umgang mit den zu Pflegenden, ist ein unbezahlbares Kapital, welches in der Zukunft viele Früchte für Betreute und Betreuer bringen kann.


Unser Ziel sollte sein, ich wiederhole noch einmal den Satz der Heiligen Elisabeth:


"Ich habe euch immer gesagt,

dass wir die Menschen

fröhlich machen müssen."


800 Jahre Heilige Elisabeth, dieses Gedenken ist nicht umsonst für die Bedeutung der heutigen Krankenpflege, sondern so aktuell, wie noch nie.

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